Kürzlich bei Sonnenaufgang – am Embalse de Cáceres, einem Stausee vor der gleichnamigen Stadt, an dessen Ufer wir übernachtet haben – habe ich beschlossen, nicht mehr zu versuchen, die letzten Wochen unserer Reise chronologisch aufzuarbeiten. Ich genieße einfach, unsere Zeit dafür nutzen zu können, die Orte zu erkunden, an denen wir uns für kurze Zeit niederlassen. – Ich denke nämlich, dass es immer einen guten Grund hat, den es zu ergründen gilt, warum man irgendwo landet bzw. warum man sich einen bestimmten Platz zum Übernachten wählt (oder sogar, um dort ein paar Tage zu bleiben). Wenn man allerdings ständig damit beschäftig ist, so viel wie möglich für sich selbst herauszufinden (oder mit Lebensmittelsuche und Zu- oder Vorbereitung…), bleibt am Ende keine Zeit mehr, später auch andere als die, die selbst vor Ort sind, daran teilhaben zu lassen.
Ich habe mir allerdings fast überall Notizen gemacht, und in meinem Kopf ist bereits eine grobe Ordnung nach Themen – Flora, Fauna, Ökologie, Natur-, Erd-, und/oder Weltgeschichte(n) u.a. – enstanden. Bestimmte Pflanzen, Tiere oder „die“ Menschen, aber auch – damit verbunden oder vielleicht auch gänzlich unabhängig davon – Tektonik, klimatische Veränderungen hinterlassen die unterschiedlichsten, ganz individuellen oder auch gemeinschaftlichen Spuren ihres Daseins. Wenn man wie ich nach (natürlichen) Zyklen Ausschau hält, das heißt nach – ressourcen- und energie- sowie intentionsabhängigen Auf-, Um- und Abbauerscheinungen (Was ist gerade am Entstehen? Was erscheint in „voller Blüte“, auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung? Was scheint eher an einem Endpunkt angelangt zu sein und zu vergehen?) – , lassen sich an vielen Stellen Vergleiche anstellen oder Wiederholungsmuster erkennen.
Nach der Normandie sind wir jedenfalls in die Bretagne und danach die Atlantikküste hinunter ins Baskenland und anschließen Richtung Westen bis nach Gallizien gefahren. Nach dem ersten Nachtfrost in den Bergen waren wir uns einig darin, möglichst schnell wärmere, südlichere Orte aufzusuchen.
Mathias hatte sich einen Abstecher in die Extremadura gewünscht, und dort waren noch Tagestemperaturen um die 20 Grad und Nachttemperaturen um die 10 Grad Celsius gemeldet. Daher haben wir beschlossen, nicht gleich weiter nach Portugal, sondern erst dorthin zu fahren: in die „spanische Serengeti“ mit ihren großteils flachen Hügellandschaften und weiten Ebenen bzw. Baumsavannen, sogenannten Dehesas, die das Landschaftsbild bis nach Portugal hinein bestimmen. In Deutschland würde man sie wohl als Hutewälder bezeichnen: naturnah bewirtschaftete, nämlich vom iberischen Schwein sowie Rindern, Schafen oder Ziegen beweidete und dadurch sehr offene, von Unterwuchs freie, plantagenartige (Stein- und Kork-)Eichenwälder oder eher (-)Haine. Es handelt sich hier also – ähnlich wie auf dem schwedischen Öland – um eine alte Kulturlandschaft, nicht um ursprüngliche Natur, die auch ohne menschlichen Einfluss entstanden wäre oder sich aus sich selbst heraus so erhalten könnte. Allerdings ist sie, vor allem, wenn man sie mit den verbreiteten Monokulturen vergleicht, relativ artenreich, insbesondere die Vogelwelt betreffend.
Da ich ja seit einigen Wochen die Natur um uns herum nicht mehr nur mit einer Taschenlupe „bewaffnet“, sondern auch mit Fernglas und Vogelstimmenapp durchforste, habe ich – neben der Begegnung mit altbekannten Arten – einige persönliche Neuentdeckungen machen können: Rotkehlchen und -schwänzchen, Meisen, Amseln, Tauben, Kleiber, Baumläufer, Gir- und Stieglitz, Zilpzalp u.a. haben uns schon auf der ganzen Reise begleitet; Goldhähnchen erkenne ich seit Schweden, Seidensänger seit Frankreich öfters wieder;, und Samtkopfgrasmücke, Haubenlerche, Blauelster und Iberienraubwürger sowie Gänse- und Mönchsgeier und einige Raubvögel sind in den letzten Tagen, neben diversen Wasservöglen, neu dazugekommen.
Die Tage in der Extremadura waren für mich – trotz zunehmender Kühle, vor allem am Abend (oder vielleicht auch, weil ich deshalb öfters mit einer Wärmflasche an den Füßen geschlafen habe?) – wirklich sehr entspannend. Ich konnte meinem natürlichen Fortbewegungsdrang (dem zu Fuß) großteils bedenkenlos nachgehen, das heißt mich auch alleine (Mathias ist leider nicht ganz so bewegungsfreudig) in mir unbekanntes Terrain wagen. Sobald ich genug Anhaltspunkte dazu habe, was mich auf einer Erkundungstour erwarten könnte, (und dazu unsere Homebase lange im Blick behalten kann bzw. mir sicher bin, dass ich mich im Notfall auch relativ schnell wieder dorthin zurückbewegen kann), desto weniger Überwindung kostet es mich, die Freiräume draußen zu nutzen. Mir ist nämlich immer bewusst, dass sie natürlich das Revier der unterschiedlichsten Arten von Lebewesen sein können, egal ob ich ihnen gerne begegne oder auch nicht.
Es kann zwar ein freudiges Ereignis sein, gesetzte (Bewegungs-)Ziele zu erreichen; aber mir persönlich erscheint es erstrebenswerter, auch den Rückweg nach Hause erfolgreich, das heißt für mich möglichst unversehrt zu meistern.

Meine Knochen, Gelenke, Muskeln etc. und auch mein Gemüt haben es mir gedankt, dass ich mehrere Tage hintereinander zwischen fünf (oder sechs) und 17 Kilometer gelaufen bin. Deshalb kann ich es gerade auch einigermaßen gut – ohne allzu viele Hummeln im Arsch – verkraften, dass wir danach einen langen Fahrtag (nach Sesimbra, auf der Halbinsel von Setubal, in direkter Nähe zu Lissabon) hatten und es seit unserer Ankunft so viel regnet, stürmt und gewittert oder sogar hagelt, dass sogar mich gerade nicht sehr viel nach draußen zieht.
Es scheint, als hätten wir uns zu einem guten Zeitpunkt entschieden, uns für die nächsten Tage einen zwar windigen, aber mit mehr Komfort ausgestatteten Rückzugsort als die Natur zu wählen, an dem wir ein Badezimmer, Küche, Waschmaschine sowie Trockner und sogar einen Seminar-/Aufenthaltsraum zum Arbeiten nutzen können. Nachdem wir in den letzten Wochen meistens irgendwo frei standen, ohne Camping- oder andere kostenpflichtige Stellplätze nutzen zu müssen, ist es eine schöne Abwechslung für uns, uns etwas Luxus zu gönnen. Genießen können wir das ohnehin immer nur kurzzeitig – bevor es uns wieder „in die Wildnis“ zieht.
Ich kann mir vorstellen, dass hier – wo es draußen noch weitere Tage so weiter gehen soll und wir uns außerdem die Zeit sparen können, die wir sonst mit der Suche nach einem neuen, möglichst windgeschützten und sonnigen Stellplatz, nach Wasser, nach Einkaufsmöglichkeiten undundund verbringen – noch weitere Texte entstehen werden.
Wer mehr Fotos sehen möchte, kann gerne unter folgender URL schauen:
https://natur-highlights.de/Archiv/




















